Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) in Glashagen

Am 1. Januar 1953 wurde die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG), die LPG „Quellental“ von 12 Mitgliedern auf dem Hof Glashagen gegründet. Alles verlief in etwa nach einem im ganzen Land proklamierten Statut. Was war der Ausgangspunkt? Es gab zu dieser Zeit eine halbwegs funktionierende Landwirtschaft, bei der sich alles um die Erfüllung der staatlichen Planaufgaben drehte, deren Ergebnisse jedoch insgesamt die steigenden Bedürfnisse der Versorgung der Bevölkerung nicht erfüllte. Auch der Selbstgebrauch eigenerzeugter Produkte war genehmigungspflichtig und erst nach Erfüllung des staatlichen Plansolls gestattet. So mußte beispielsweise auch der Lehrer sein Soll erfüllt haben, bevor er für sich eine Schlachtgenehmigung erhielt.

Während besonders diejenigen die aus der Landwirtschaft kamen durchhielten und recht gute Ergebnisse erreichten, waren viele Neubauern, wie sie damals hießen, gerade so klargekommen oder manchmal sogar gescheitert an einigen Sollerfüllungen. Die maschinellen Engpässe wurden durch gegenseitige Hilfe überwunden oder wurden durch staatlich gestützte Maschinen-Ausleih-Stationen (sog. MAS) größtenteils überwunden. Trotzdem waren die benötigten Produktionssteigerungen zur Versorgung der Bevölkerung, wie es damals umgangssprachlich hieß, unter der bestehenden Wirtschaftsweise nicht erreichbar. Dieser Zustand rechtfertigte und aktivierte die Einflußnahme des Staates auf die Wirtschaftsmethoden.

Die politische Idee war es, nach sowjetischem Vorbild, die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche einschließlich der Maschinen und Wirtschaftsgebäude aus bis dahin privatem Besitz zu Vergesellschaften, wie es damals hieß. Eine Vorstellung, die naturgemäß nicht überall Zustimmung hervorrief. Einige hatten wenig zu verlieren und versprachen sich eine Ablösung aus der Situation der beruflichen Überforderung, waren sie doch manchmal bis 1945 nie Bauer gewesen und litten besonders unter dem steigenden Ablieferungssoll. Einige kamen vor der Flucht aus der Landwirtschaft und kamen zurecht. Wieder andere waren angestammt aus Glashagen und vorher Büdner gewesen und hatten durch die Zugewinn von Land aus der Bodenreform mit nunmehr um die acht Hektar ein Auskommen. Sie sahen traditionell in der Trennung vom eigenen Hof, dem Vieh und der Gerätschaft das allerletzte Mittel ihre Situation zu verbessern.

So war die Erstgründung einer LPG wie überall auch im Dorf Glashagen schließlich beschlossene Sache und die Mitglieder wählten aus ihrer Mitte den Neusiedler Bruno Clupka als Vorsitzenden. Da alle vorwiegend Neubauern waren, konnten sie nur einen ganz geringen Umfang an Maschinen und Geräten die sie innerhalb der letzten Jahre mühsam angeschafft und genutzt hatten in die Genossenschaft einbringen. So unter anderem im Wert von:

  • elf Ackerwagen im Wert von insgesamt 4.800,00 DM
  • dreizehn Gespannpflüge im Wert von insgesamt 1.900,00 DM
  • eine Ackerwalze im Wert von 150,00 DM
  • eine Drillmaschine im Wert von 300,00 DM
  • ein Mähbinder im Wert von 1.800.00 DM [25]

Diese kleine Genossenschaft bewirtschaftete insgesamt 136 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, davon 115 ha Acker, ca. 8 ha Wiesen und 12 ha Weiden. Etwa 80 Hektar wurden der LPG vom Staat in Nutzung gegeben. Im ersten Jahr ihres Bestehens erwirtschafteten sie insgesamt 8.690 DM, die wie folgt verteilt wurden:

  • 5962,00 DM wurden an die Mitglieder je nach Arbeitsleistung ausgegeben
  • je Arbeitseinheit (A E) 8,68 DM
  • je Hektar eingebrachten Boden (Bodenanteil 100,00 DM gezahlt)
  • 2.051 DM gingen an den unteilbaren Fond für den Zukauf genossenschaftlichen Eigentums.
  • 348,00 DM für Kulturfond, Erntefest, Theaterbesuch.
  • 329,00 DM gingen in den Hilfsfond, für soziale Betreuung von Mitgliedern oder Unterstützung von Kindergarten und Schule. [25]
Die Organisationsformen und der Zuwachs der LPG in Glashagen.

Der LPG wurde noch im Gründungsjahr 1953 ein sogenannter Örtlicher Landwirtschaftsbetrieb (ÖLB) angegliedert und diese vollständige Genossenschaft nannte sich auf gemeinsamen Beschluss hin LPG „Quellental Glashagen/Stülow“

1955 war die LPG auf von ursprünglich 12 Mitgliedern im Gründungsjahr auf 27 Mitglieder angewachsen und bewirtschaftete etwa 187 Hektar.

1960 war die Zeit der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in einer LPG für die noch allein Wirtschaftenden auch in Glashagen vorbei. Es kam zur Bildung einer Sonderform, einer LPG Typ I mit dem Namen „Goldbach“ (benannt nach dem durch den das Quellental fließende Bächlein), gegründet von den Mitgliedern Herbert Steinke, Wilhelm Niemann, Ernst Niemann; Hans Uplegger und Kurt Wachholz. Sie brachten gemeinsam rund 45 Hektar in diese LPG ein. Die Ehefrau Ida von Kurt Wachholz wurde zur Vorsitzenden und Ernst Niemann wurde zum Brigadier gewählt. Ernst Niemann schreibt in seinen Erinnerungen:

Nun wurden wir alles los, Kühe, Pferde, Pferde und Schweine, jedoch behielten wir eine Kuh und eine Sterke und 1-2 Sauen. Diese bewirtschaftete meine Ehefrau Liselotte. Das ging nicht lange gut, dann kamen auch die beiden Kühe weg. Schweine wurden weiter gefüttert und verkauft zu guten Preisen, denn wir bekamen von der LPG Naturalien, also Getreide und Kartoffeln.

In einer LPG Typ I (scherzhaft „Jeder seins“) wurde grob gesagt nur das Land gemeinschaftlich genossenschaftlich bewirtschaftet. Die Viehwirtschaft bestehend aus Rindern (gern gut bezahlten Mastbullen) und Schweinen bildete den sog. individuellen Teil der Wirtschaft. Auch diese Form des Wirtschaftens diente hauptsächlich dem völligen Zusammenschluß aller landwirtschaftlichen Kapazitäten bei gleichzeitiger Aufhebung des Privateigentums zur Vollgenossenschaft. Diese Entwicklungsstufe war in Stülow und Retschow gleichzeitig erreicht und so lag es nahe immer der Zentralisierung folgend, die nächsten Schritte zu tun. Die Bündelung des gesamten örtlichen landwirtschaftlichen Potentials geschah dann mit einem nächsten aber nicht dem letzten Schritt zur Zentralisierung: Die LPG des Typ I und Typ III in Glashagen wurden zusammengelegt und weiterhin zusammen bewirtschaftet.

1967 am 1. Januar wurden im Zuge weiterer Zentralisierung die LPGen Glashagen und LPG Stülow zusammengelegt LPG Stülow /Glashagen. Im gleichen Jahr, am 11. März, erfolgte der Zusammenschluß mit der LPG „Frohe Zukunft“ Retschow. Fortan wurden etwa 1392 Hektar von 122 Mitgliedern bewirtschaftet. Hauptsächlicher Gegenstand der Produktion war sowohl Feldbau als auch Tierproduktion Kartoffel-und Rübenanbau und mit zunehmender Erweiterung der Viehzucht auch der Maisanbau. Zu den Ergebnissen schreibt Prof. Gierke, dass am Ende 1967 insgesamt 647 Rinder, davon 400 Kühe und außerdem 154 Schweine gehalten wurden. Die Milchleistung pro Kuh betrug damals 2.772 kg in unserer LPG.
Ganze fünf Jahre später im Jahr 1972 ging die Umstruktuierung auf ministerielle Veranlassung weiter in Richtung Vergrößerung. Die Betriebsflächen mehrerer LPG, zusammengelegt aus den benachbarten Dörfern und führten zur Bildung der einer sogenannten Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion-kurz KAP genannt. Unsere KAP erhielt den Namen „Conventer Niederung“ benannt nach der Landschaft nordöstlich von Doberan gelegen und verfügte über 6.350 Hektar Ackerflächen. Entsprechend der zukünftigen Arbeitsteilung in dieser KAP verblieb das Grünland zu Retschower Verfügung. Die LPG erhielt ein zusätzliches Kürzel „T“ im Namen und hieß nun LPG (T) „Frohe Zukunft“ Retschow. Noch eine neuerliche Unterstellung bestand in der Zuordnung zur Agrarindustrievereinigung (AIV) Kröpelin.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die geschilderte Entwicklung vollständig auf die zentralen Leitungsbeschlüsse von Partei und Regierung zurück gingen, die in wesentlichen Fragen keinen Spielraum zuließen. Längst nicht immer war man einer Meinung und die Beschlüsse von oben waren sogar manchmal kontraproduktiv. Beispielsweise wurde die Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion von Vielen für nicht zweckmäßig gehalten. Die LPGen war der KAP unterstellt. Die LPG-Mitglieder samt Technik arbeiteten auf dem Land einer anderen LPG usw..

Oft wird darüber diskutiert, daß in der LPG zu viele Menschen beschäftigt worden sind und dadurch die Produktivität zu niedrig war. So waren beispielsweise 1984 in der LPG (T) „Frohe Zukunft“ Retschow insgesamt 99 Arbeitskräfte beschäftigt. Davon waren 73 vollarbeitende Mitglieder – 16 Teilzeitbeschäftigte und 10 Personen die als Nichtmitglieder, Voll- bzw. Teilzeitbeschäftigte waren. Von den 99 Mitgliedern waren 85 als Produktionspersonal ausgewiesen, die übrigen in der Leitung oder in der Küche tätg. [25]

Natürlich erforderte die Organisation und Leitung der Produktion eines Betriebes dieser Größenordnung zunächst eine Spezialisierung durch die Schaffung von Betriebsteilen und deren personeller Absicherung. Jeweils ein Brigadier, (so nannte man die Leiter der mittleren Ebene) standen einer unterschiedlichen Anzahl von Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern vor. An der Spitze der LPG stand jeweils ein Vorsitzender, gewählt von der Vollversammlung. Er kam nicht unbedingt aus der Mitte der eigenen Genossenschaft, mußte jedoch fachliche und selbstverständlich politische Eignung vorweisen. Weil die Qualifizierung der Mitglieder auf allen Ebenen nicht nur in der Landwirtschaft der DDR planmäßig betrieben wurde, bestand ein recht hoher Ausbildungsgrad aller Mitglieder. Nicht förderlich war sicher der relativ häufige Wechsel in der Führung über die Jahre. Zustande gekommen oftmals allein schon durch die wiederholte Zusammenlegung mehrer LPG. Hier sind alle Vorsitzenden der LPG Typ III, leider ohne Zeitdauer in der Funktion genannt: Fritz Wasmuth, Bruno Chlupka, Karl Knappe, Kurt Regenstein, Werner Voß, Wolfgang Roeb, Uwe Zymolka, Dieter Schroeder, Roland Hocke, Gabi Pape?

In der kleineren oben beschriebenen LPG Typ I war Ida Wacholz über die volle Zeit der Existenz von 1960 bis 1967 eine gute Vorsitzende.

Als stärkste Wirtschaftkraft im Dorf hatte die LPG neben der landwirtschaftlichen Produktion immer auch auch eine Reihe sozial-kultureller Verpflichtungen. Genannt seien die Betriebsküche, der Kindergarten, Fahrdienste zum Rostocker Volkstheater und Unterstützung von Sportgruppen des überregional bekannten Chores oder Patenschaften, sowie neben dem regelmäßigen Winterdienst verschiedenste logistische Leistungen für die Allgemeinheit usw.. Die Zu-und Verteilung des jährlichen Heizmaterials und der Einkellerungskartoffeln für alle Dorfbewohner oblag dem Bürgermeister. Selbsverständlich war die umfassende Zusammenarbeit des LPG-Vorsitzenden mit dem Gemeinderat und dem Bürgermeister der Gemeinde. Es gab in den ersten Jahren sogar eine gesetzliche Rechenchaftspflicht der LPG gegenüber der sog. staatlichen Leitung hier in Person des Bürgermeisters. Tatsächlich war die Gemeinde ohne die personellen und materiellen Möglichkeiten der LPG nicht denkbar. Hier in Glashagen zog man diesbezüglich an einem Strang, wie man in Mecklenburg sagt.

Zur LPG gehörte gleichzeitig eine Baubrigade, für die im Jahr 1984 eine bauwirtschaftliche Leistung von 120.000 Mark geplant war, aber tasächlich 255.ooo Mark erbracht wurden. Auf das Konto der Baubrigade der LPG gehen im Laufe der Jahre der Bau von sechs Eigenheimen, ein Wohnblock mit acht Wohneineiten, umfangreiche Bauleistungen für Dorfbewohner und die Gemeinde. Der Um- und Ausbau der Glashäger Schule, beispielsweise beim Anschluß des Dorfes (1976) und des Hofes (1979) an das zentrale Wassernetz. [25]

Fast 40 Jahre lang war die LPG für eigentlich alle Dorfbewohner (Männer und Frauen) der Arbeitgeber gewesen. Es verwundert nicht, daß die Liquidation dieses Betriebes, ein schwerer Einschnitt in das Leben aller war. Wie die Auflösung der LPG aus der Sicht der allermeisten Betroffenen aussah können wir aus einigen diesbezüglichen Dokumenten von Ernst Niemann sehen.

Das Ende der Hufen I bis III

Bezogen auf die Büdner und Neubauern wurden die beiden Besitzer und der Pächter der Bauernhöfe I bis III sehr schlecht behandelt. Legitimiert durch einen Beschluß der 10. Tagung des Zentralkommitees im Nov. 1952, der die rigorose sogenannte freiwillige Einbeziehung ihrer Wirtschaften vorsah. Sie verfügten jeweils über eine Wirtschaftsfläche von mehr als 20 Hektar in (unserem Fall sogar je ca. 40 Hektar) und erhielten damit ein mehrmals erhöhtes Ablieferungssoll pro Hektar. Gleichzeitig war für sie die Versorgung mit Brennstoffen, Düngemitteln und Betriebsmaterialien jeglicher Art erschwert. Die überall zuständigen Versorgungsämter und deren Bezugscheine benachteiligten ausdrücklich solche Betriebe. Die 1948 gegründeten staatlichen MAS (Maschinenausleihstationen) verfügten über bestimmte Landmaschinen. Sie standen allen Betrieben zur vollen Verfügung außer denen mit einer Fläche größer als 20 Hektar (gemeint waren hier in Glashagen die Hufen I, II und III ). Gleichzeitig konnte über deren eigene Maschinen innerhalb der MTS zwangweise verfügt werden. Sie selbst konnten offiziell nur dann Geräte ausleihen, wenn keiner der Neubauern Bedarf hatte und dann zum doppelten Preis, wie diese.

Ohne an dieser Stelle auf die schikanösen Einzelheiten und sonstigen bedrohlichen und verunsichernden Bedingungen seitens der örtlichen staatlichen und besonders der Sicherheitsorgane einzugehen, war zu dieser Zeit die Methode zur Vertreibung dieser Bauern in allen Dörfern gleich. Die Landwirte waren objektiv außerstande das von ihnen erwartete Ablieferungssoll zu erfüllen. Die Nichterfüllung des Solls war gesetzlich strafbar und rechtvertigte die strafrechtliche Verfolgung, die z. T. unbarmherzig einsetzte.

Gleichfalls strafrechtlich relevant war der Tauschhandel einer bestimmten Kategorie: Nämlich die Teilnahme am sogenannten Schwarzen Markt, auf dem vieles was knapp war aber zur Wirtschaft gebraucht wurde, im Austausch zu haben war. Die Teilnahme an diesem Handel wurde als Diebstahl am Volkseigentum – einem damals besonders schweren Verbrechen bewertet.

Nicht alle waren unschuldig und natürlich bleibt der Mensch der Mensch und es gab auch hier einige die aus Gewinnsucht übertrieben und sich persönlich bereicherten. So wurden einige Bauern abgeholt und Verhören unterzogen, manchmal tageweise eingesperrt und wieder laufen gelassen, in einigen Fällen strafrechtlich abgeurteilt und sogar für mehrere Jahre eingesperrt. Zusätzlich konnte eine materielle Bestrafung erfolgen. Sie bestand oft im Einzug von Teilen oder des gesamten Vermögens. Gleichzeitig lief die Bildung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Hier war das Einbringen der Arbeitsmaschinen, des Viehs und der Wirtschaftsflächen aus dem privaten in den genossenschaftlichen Besitz die normale Bedingung. Die persönliche Unterstellung gehörte zur Mitgliedschaft. Man wurde als der Bauer, und jahrhundertelang alleiniger Bestimmer auf dem Hof nun erst einmal ein gleichberechtigtes Genossenschaftsmitglied. Das war ganz für keinen einfach. Selbst ein Einsatz als Brigadier oder Brigademitglied in der Viehwirtschaft, der Milchproduktion, der Feldwirtschaft oder als Traktorist oder gar Vorsitzender war nicht automatisch gegeben. Es war ein langer oft schmerzhafter Prozeß bis jeder den öffentlich beschworenen persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend seinen Platz fand.

Hier soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass andererseits so mancher Genossenschaftsbauer gerade durch die Bedingungen in der Genossenschaft mit ihren Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten zu Recht in eine leitenden Funktion mit hoher Anerkennung und Ansehen gekommen ist.

Man muss die sprichwörtliche Bindung einer Bauernfamilie an die eigene Scholle (Acker, Haus und Hof) kennen, um zu ermessen, was eine Trennung für immer von dem oft über viele Generationen besessenen und bewirtschafteten Hab und Gut bedeutete. Wie gering müssen diese Familien alternativlose Aussicht bewertet haben, zukünftig ihre Existenz in dieser Form der Landwirtschaft zu sehen.

Die Behandlung der Bauern der Kategorie unserer drei Hufen mündete 1953, wie im ganzen Land in Repressalien, Strafandrohungen, kurzzeitige Festnahmen und/oder Inhaftierungen gegebenenfalls Verurteilungen und Haft.

So kam es dazu dass sie die Flucht mit den Familien in den Westen (so nannte man hier die Bundesrepublik Deutschland) als unausweichlich ansahen. Das unerlaubte Verlassen der DDR war durch das Grenzgesetz von vornherein ein Straftatbestand. Unmittelbar betraf das in Glashagen die Familien Griese von der Hufe III und die Familie Breide von der Hufe II, deren Hof im Dezember 1954 abbrannte. Die Familie Eimterbäumer von Hufe I war bereits 1946 nach dem Tod des Familienvaters in die ursprüngliche Heimat nach Herfort zurück gegangen. Der Hof wurde von einem Pächter Karl Köpke verwaltet, hier war die Enteignung und Eingliederung in die LPG im Zuge der Kampagne 1953 ohne weiteres erfolgt.

Der Zeitzeuge Günter Lack [24] erinnert sich :

Karl Köpke war ab 1937 Inspektor auf dem Gut (Hof) Glashagen. Von 1948 bis 1953 war er Pächter vom Bauernhof Eimterbäumer. Als 1953 die LPG in Glashagen gegründet wurde, verzog er mit seiner Frau Charlotte und den Kindern Ekkehard und Ingried in die Niederlausitz, nach Forst-Eichwege. Er war auf einer MTS (Maschinen-Traktorenstation-Station) beschäftigt und später Vorsitzender einer LPG.

Keiner unserer Glashäger Bauern konnte in der Bundesrepublik in seinem Beruf wieder Fuß fassen und sie hätten hier in Glashagen mit Fachwissen und Erfahrung einen guten Beitrag leisten können. Im Nachhinein zweifellos einer der krassesten Fehler der damaligen Landwirtschaftspolitik. Die Rückübertragung des Eigentums dieser Familien erfolgte erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands und war nun nicht mehr, als Recht und billig.

Alles in allem waren lt. Wikipedia „Landwirtschaft der DDR“ zwischen 1952 und 1953 insgesamt 11531 Bauern republikflüchtig geworden. Die Betrachtung gerade dieses Kapitels der Dorfgeschichte und eine gelegentliche Erinnerung an die Umstände gehören hierher.

Es sei hier erwähnt, daß alle durch die Bodenreform ausgegebenen landwirtschaftlichen und Forstflächen, wenn sie bis 1990 in die LPG lediglich mit eingebracht worden waren, nach den Festlegungen des Einigungsvertrages im Besitz der jeweiligen Familien blieben. Nach neuer Gesetzlage erstmalig zur freien Verfügung, denn in der DDR Zeit war die Verpachtung und der Verkauf untersagt, die normale Vererbung war gegebenenfalls erfolgt.

Nun nutzten die Besitzer von Bodenreformland die neuen Möglichkeiten und verpachteten oder verkauften ihr Land und den Wald an wen sie wollten. Die Verfügung war frei. So ging die wesentlichen Teile der Feldmark Glashagen an zwei Betriebe, den Wiedereinrichter Breide aus Allershagen und den Agrarhof Retschow. Hier finden wir alle anderen Flächen als gepachtetes Land oder inzwischen erworbenes wieder. Diese Betriebe verfügen über weiteres Land gemeindeübergreifend, denn aus Gründen der Rentabilität gibt es zur Großraumwirtschaft keine Alternative. Inzwischen ist die gesamte Landwirtschaft zur Subventionswirtschaft innerhalb der Europäischen Union geworden, deren Bedingungen ausschließlich auf die Existenz von Betriebsgrößen größer 250 Hektar mindestens, gerichtet sind.

1990 nach der Entlassung aus der LPG versuchten besonders altersbedingt wegen jeglicher anderweitiger Möglichkeiten trotzdem zwei Tapfere zu wirtschaften und ohne große Ansprüche von der eigenen Hände Arbeit zu leben.

Die Büdnerfamilien Friedrich Wasmuth und Ernst Niemann wirtschafteten anerkennungsweise noch einmal nach Manier ihrer Vorfahren auf den Acker- und Wiesenflächen um den Hof herum. Die Stallungen waren ja in der LPG-Zeit in Betrieb geblieben und Ackergerät zur Bewirtschaftung kleiner Flächen war noch vorhanden oder wurde gegenseitig ausgeliehen. Ein Traktor und Hänger (sog. Gummihänger) war von der sich auflösenden LPG preiswert erworben worden. Im Stall standen Rind, Kälber, Schwein und Ferkel. Die Buchten waren voller Kaninchen. Auch liefen ein paar Gänse, Enten und viele Hühner auf dem Hof, Hund und Katze sowieso. Das Futter produzierte man weitgehendst selber. Förderung gab es keine. Die marktwirtschaftliche Preisgestaltung lief allerdings dieser Form der Wirtschaft völlig entgegen. Während der Aufwand für Dieselkraftstoff, Saatgut, Schädlingsbekämpfung Kunstdünger, Tierarzt, Versicherungen Medikamente usw. kontinuierlich größer wurde, fielen die Erzeugerpreise für Rüben, Kartoffeln und Getreide und Fleisch jeder Art. Noch mehr aber machte sich das Alter mit der schwindenden Gesundheit bemerkbar und so entgingen auch diese beiden wackeren Familien dem überall längst verbreiteten Sckicksal dieser überholten Wirtschaftsform nicht. Im Jahr 1999 hörte Familie Niemann und einige Jahre später Familie Wasmuth anläßlich des Todes von Fritz Wasmuth mit der Landwirtschaft auf. Alle waren längst Rentner und gehören nun zu den letzten die diese Wirtschaftsform einer Büdnerei, nach langen Jahren in der LPG noch einmal eigene Selbständigkeit aufleben lassen hatten.

Ihre letzten Ackergeräte, Werkzeuge und Zubehör, die nicht mehr nur sie, sondern zukünftig niemand mehr brauchen würde blieben zurück. Sie überließen sie einer der vielbeachteten Ausstellungen von Karl´s Erdbeerhöfen. Hier legen sie dankenswerter Weise ein gutes Zeugnis von einer ganzen Ära mecklenburgischer Landwirtschaft ab.

Artikel aktualisiert am 22.01.2024