1921, öffentliche Dorfversammlung zu Beerdigungen in Glashagen

Am 18. Juli 1921 fand eine öffentliche Dorfversammlung statt. Sämtliche Gemeindevertreter waren anwesend: Es wurde beschlossen die Beerdigungen wie bisher vorzunehmen:

Die Hofbesitzer stellen im Todesfall auch bei den Büdnern und Einwohnern auf Wunsch das Fuhrwerk, erhalten dafür von den Büdnern eine Vergütung von 3 Mark, von den Einwohnern jedoch keinerlei Vergütung. Beim Graben der Grabstelle, Tragen der Leiche und Glockenläuten stellt die Gemeinde in gegebener Reihenfolge 6 Träger; bei Erwachsenen und 4 Träger bei Kindern und Gräber jeweils 4 Leute. Die Träger müssen vollkräftig und mindestens 18 Jahre alt sein. Ist eine minderjährige Kraft als Träger bestellt, so hat der betreffende Haushalt beim nächsten Sterbefall noch einmal einen Träger zu stellen. Der Gemeindevorstand entscheidet über diesen Fall. [5]

Eine diesbezügliche Vereinbarung beschließt auch nach dem zweiten Weltkrieg wiederum die Gemeindeversammlung im Dezember 1947 wie folgt: „Bei Sterbefällen soll das Graben und Tragen Reihe um gehen. Ortsansässige und Umsiedler gemeischaftlich. In Fällen, wo kein Mann ist, scheiden die Frauen aus. Hofbesitzer und Büdner müssen selbst Fuhrwerk besorgen. Bei Einwohnern fahren die Bauern der Reihe nach. [17]

1948 ebenfalls in einer Sitzung der Gemeindevertretung: Zum Einsatz bei Todesfällen für Kuhle graben und Leiche tragen wurde die Altersgrenze festgesetzt: Männer ungegrenzt, (durchgestrichen) 65 Jahre; Frauen scheiden aus. In weiteren Punkten der gleichen Tagesordnung heißt es: 1.) Frau Bannach stellt sich als Leichenkleiderin zur Verfügung zu einem Satz von Mark.: 15.- pro Sterbefall. 2.) Weiter wird festgelegt, daß diejenigen die die Grube graben, die Kränze zur Gruft tragen, wenn die Leichenkleiderin zum Friedhof nicht mitgekommen ist.[17]

Etwas Besonderes an den Kirchenbesuchen in Sprengeldörfern ist die Entfernung der zur Gemeinde gehörenden Dörfer bis zur Kirche. In unserem Falle haben wir mit dem Dorf Glashagen bis zur Kirche in Steffenshagen bereits gute 5 Kilometer für eine Strecke zu rechnen. Zudem bestand der Weg viele hundert Jahre aus einer mäßig bis schlecht befestigten Straße. Das bedeutete im Winter und bei schlechtem Wetter für die Wahrnehmung kirchlicher Anlässe, wie Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen und den Besuch der sonntäglichen Andachten noch einmal höhere Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Weges. Bestenfalls konnte ein umfunktionierter Pferdewagen zum Transport der Kirchgänger dienen. Überdachte Kutschen gab es wohl bestenfalls je einen Viersitzer auf den drei goßen Höfen. Soviel zum besseren Verständnis. Die im Anschluß beschriebene Beerdigung bezieht sich beispielhaft auf die Mitte des 19. Jahrhunderts die Abläufe waren bis dahin mehrere Jahrhunderte bestimmt gleich umständlich gewesen.

Wenn man zu Fuß nach der Kirche ging – hauptsächlich die „kleinen“ Leute zum Friedhofsbesuch dem sonntäglichen Kirchbesuch oder Kinder zum wöchentlich zweimaligen Besuch des Konfirmantenunterrichts – war es überall üblich und still geduldet daß in annähernder Luftlinie querfeldein ein Trampelpfad getreten wurde, der durchaus auch durch die bestellten Felder ging. Selbstverständlich waren die Abkürzungen auch der tägliche Schulweg.

Beerdigungen in Glashagen.

Der Tod eines Bewohners aus der Mitte einer Dorfgemeinschaft versetzte früher nicht nur alle Übrigen in tiefe Trauer sondern löste eine allgemeine Anteilnahme und Bereitschaft zur Teilnahme an dem folgenden Trauerzug aus. Den Todesfall im Dorf zu verkünden und den Beisetzungstag anzukündigen hatte die Leichenkleiderin oder eine Person, die auch alle anderen wichtigen Nachrichten unter das Volk brachte. Das geschah indem die oder derjenige von Haus zu Haus ging und in einer Art Ritual nach einer überlieferten Wortfolge gleichzeitig zur Erweisung der letzten Ehre einlud. Der Verstorbene wurde im Trauerhaus bis zum Tag der Beerdigung – wiederum nach überlieferten örtlich unterschiedlichen Brauch – möglichst offen bei ständigem Kerzenschein aufgebahrt. Hier bestand die Möglichkeit des persönlichen Abschiednehmens für Verwandte und Freunde.

Am Tag der Beisetzung versammelte sich die Trauergemeinde am Trauerhaus zu einer kleinen Abschiedsfeier. Die Trauernden trugen durchweg schwarze Kleidung, die Männer einen Zylinder und eine schwarze Armbinde zusätzlich; die Frauen schwarze Tücher oder Schals. Zu den allgemeinen üblichen halblangen oder langen Kleidern, Röcken und Mänteln (niemals Hosen) trug man schwarze Strümpfe, danach noch eine längere Zeit (1/2 bis 1 Jahr lang mindestens, manche Menschen trauerten mit diesem äußeren Zeichen viele Jahre, bis lebenslang) . Als Ergänzung zur normalen Kleidung dienten schwarze Tücher. Bei den Männern die erwähnten Armbinden oder schwarze Schleifen im Knopfloch des Revers.

Bei der Gelegenheit wurde das Vaterunser gebetet. Meistens sprach jemand, meist der Lehrer, einige Worte des Abschieds und man sang gemeinsam ein Trauerlied. Der Sarg wurde anschließend von den Trägern auf einen offenen Arbeitwagen gestellt. Vorn war die Sitzfläche durch ein Zusatzbrett erweitert. Mehrere Strohsäcke zum Sitzen erhöhten den einfachen Komfort, der für die Totenkleiderin und die gebrechlisten Frauen bestimmt war.

Es war üblich schon zu Lebzeiten einen Sarg seiner Vorstellung zu erwerben und auf dem Lager des Tischlers oder Stellmacher zu lagern. Dorfbewohner, die über den nötigen Platz verfügten, lagerten den eigenen Sarg oder entsprechendes Bauholz durchaus schon zu Lebzeiten im eigenen Gehöft.

Das übrige Gefolge lief hinter dem Wagen nach männlichen und weiblichen Personen getrennt her. Den Schluß bildete manchmal noch ein zusätzliches Fuhrwerk mit Trauernden. (Zu den Höfen I bis III gehörte jeweils eine Kutsche, die als Ein- oder Zweispänner die entsprechende Familie zu allen Kirchbesuchen beförderte). Die Fahrt ging nun im geringstmöglichen Pferdeschrittmaß , für Menschen noch recht zügig, los. Man hatte eine Wegstrecke von der Dauer einer Stunde vor sich auf der man zunächst auf den nicht gerade ebenen Weg zu achten hatte. Darüber hinaus beredete man aber wohl nicht nur dem Anlaß entsprechende Themen. In Sichtweite des Trauerzuges begann das Geläut der Steffenshäger Kirche für das der Küster ein Extrageld erhielt. Oftmals kam es vor aus der Gruppe der von den Glashägern als Gräber abzustellenden Männer jemand für das Läuten zu beordern. Kirche und Friedhof liegen wie meistens auf den Dörfern auch in Steffenshagen unmittelbar zusammen. Dort angekommen wurde der Sarg vom Prediger , (Pastor) der eine kleine Begrüßungshandlung vornahm, in Empfang genommen. Eine Andacht im Kirchgebäude folgte nicht immer. Es war üblich den Sarg vor dem Versenken in die Gruft einmal um die Kirche herum zu tragen.

Der Aufwand der Trauerfeiern in der Kirche war verschieden. Kirchlicherseits waren beispielsweise Unterschiede möglich. Den geringsten bei der Bestattung Frühgeborener, Kinder größeren Alters oder Erwachsene handelte. Die genauere Handhabung war Gegenstand der jeweiligen Trauerordnung. Daneben waren Bestattungen ohne Feierlichkeiten in der Kirche also nur an am Grab besonders dann üblich, wenn die Gemeindeglieder arm waren und die Kosten nicht aufbringen konnten. Immer jedoch mindestens mit Gottes Segen durch den Prediger gespendet.

Unsere Beerdigung war mit der Schließung des Grabes beendet, an der sich alle symbolisch beteiligten, indem man einzeln Erde und gegebenfalls eine Blume in die noch offene Grube gab. Nun kehrte man zügig und manchmal auf getrennten Wegen nach Glashagen zurück, um im Trauerhause volkstümlich gesprochen „das Fell zu versaufen“ (so bezeichnetet man das vom Essen her üppige und vom Trinken her noch üppigere Mahl zum Gedenken an den Verstorbenen). Zu dieser Feier war auch der Herr Pastor als Ehrengast eingeladen.

Der allgemeine Aufwand am Grab war vor 19oo viel bescheidener. Holzkreuze und einfache Granitsteine genügten – dennoch wurde der soziale Rang der Trauerfamilie im Dorf auch auf der Grabstelle sichtbar gemacht, indem man etwa den Namen in den Stein schlagen ließ, einen besonderen Stein verwendete oder ein metallenenes Kreuz auf die Grabstelle setzte. Durchaus üblich war später zunehmend (auch aus Anlaß einer weiteren Beisetzung), daß insgesamt eine reichere Ausstattung der Grabstellen durch besondere geschmiedete Kreuze oder vom Steinmetz gefertigte Gedenksteine und gußeiserne Begrenzungen nachgerüstet wurden. Blumen-und Pflanzenschmuck war noch nicht üblich. Erst um 1900 wurde auch für die bäuerliche Bevölkerung reicherer Grabschmuck gebräuchlich. Die verschiedensten noch gepflegten oder als Fragmente auf oder an Friedhöfen oder in Kirchen vorhandenen Beispiele findet man auch auf dem Friedhof in Steffenshagen. Genauso sind im 1. und 2. Weltkrieg auch hier die gußeisernen Zierden zum Kanonenbau herangezogen worden. Schlimmer noch ereilte auch die oft jahrhunderte alten Glocken das gleiche Schicksal. Das war eine besonders rücksichtslose Form der Kulturschändung. Neben der zeitgemäßen ländlichen Beerdigungskultur hatte auch die Kirche Steffenshagen über die Jahre etliche Ordnungen erlassen beispielsweise in den Jahren 1855, 1857 und 1879. Sie sind unter anderem im Landeskirchenarchiv Schwerin einsehbar.

Ulf Lübs [00] hat herausgefunden, daß auf der Herbstgeneralversammlung des Spar-und Darlehensvereines 1908 der Beschluß gefaßt wurde, einen Leichenwagen für das Kirchspiel Steffenshagen anzuschaffen. Der Leichenwagen war in einem Wagenschauer untergebracht, der an der Scheune zur Hufe IV zum Weg hin angebaut wurde. Die Hufe IV war das Haus des Bürgermeisters von Reddelich. Dieser Leichenwagen wurde regelmäßig auch von den Glashägern genutzt und war noch lange Zeit nach dem Kriegsende 1945 verfügbar.

Nachsatz : Auf dem Friedhof in Steffenshagen gibt es nur noch ganz wenige Gräber, die zu Glashäger Familien gehören, sind doch schon lange fast alle Dorfbbewohner Glashagens mit den Beerdigungen nach Bad Doberan ausgewichen. Die Gründe der besseren Erreichbarkeit zählen beim heutigen Stand der Motorisierung sicher nicht mehr. Dennoch ist es so.

Artikel aktualisiert am 09.04.2023