Vererbpachtung der Glashäger Hufen

Das Finanzministerium des Großherzoges erließ am 20. April 1860 eine Anordnung zur schnellen Vererbpachtung der domanialen Bauernhöfe. Man wies an, die Vererbpachtung dorfweise durchzuführen. Bis Ende des Jahres 1860 waren 1272 Bauern in Mecklenburg Erbpächter und 4128 Zeitpächter. Bis zum Jahre 1875 war die Vererbpachtung im gesamten Domanium abgeschlossen. Im Zusammenhang mit der an anderer Stelle beschriebenen Bildung der Dorfgemeinden ist die Vererbpachtung zu sehen.

Die neuen Erbpächter (in unserem Dorf waren es in Person die vormaligen Zeitpächter), mußten die Hofwehr und Einsaat für einen – wie es dazumal offiziell hieß – milden Preis kaufen. Die Hauswirthe,- so nannte man bis dahin die Hufenbauern, mit mehr als siebzig bonierten Scheffeln Ackerland hatten ihre Gebäude zum halben Versicherungswert zu kaufen, während diejenigen mit mehr als 120 bonitierten Scheffel für den dieses Areal übersteigenden Grundbesitz das 25-fache Erbstandsgeld zu entrichten hatten.

Die Einrichtung der Erbpachtverhältnisse führte bewiesenermaßen zu einer Erhöhung der Einkünfte der Ämter und damit des Schweriner Finanzministeriums. Ein weiterer Gewinn für das Finanzministerium war der zukünftige Fortfall der Kosten für die Unterhaltung der Gebäude, Ackergeräte und des Saatgutes. Zusammen nach einer seinerzeit gemachten überschlägigen Rechnung einer Steigerung um ca. 66 Prozent. Die Besserstellung der Hauswirthe, die nun bis 1918 als Erbpächter bezeichnet werden, läßt sich nur vermuten. Immerhin ist deren Wohlstand von einer Reihe anderer spezieller und individueller Bedingungen und Faktoren abhängig. Die Erbpächter waren endlich für alle Zeit Herr auf dem eigenen Hof und konnten eines ihrer Kinder als Erben einsetzen. Welches der Kinder erbte, war nicht vorgeschrieben in den allermeisten Fällen war es der erstgeborene Sohn. Die Versorgung der Eltern und Geschwister war durch das sogenannte Altenteil materiell und finaziell durch den Erben zu leisten und gesetzlich festgeschrieben. In den Erbpachtverträgen waren die Einzelheiten dazu penibel aufgeführt.

Weiterhin konnte der Hof erstmalig beliehen, durfte nicht geteilt werden und bei Verkauf war die Zustimmung des Amtes einzuholen. Die Spitzenstellung der Erbpächter innerhalb der Dorfhirarchie wird im anschließenden Teil sichtbar.

Der fast überschwengliche allgemeine „Allerhöchste Erlass“ durch den Großherzog betreffend die Vererbpachtungen und die Gemeindebildung im Domanium 1869, weist auf die Bedeutung hin, die offiziell diesen beiden Maßnahmen mit Recht beigemessen wurde. Innerhalb von sechs Jahren im ganzen Land, in dieser Zeit auch mit den Höfen I,II und III in unserem Dorf, war diese wichtige Erneuerung abgeschlossen, zweifellos war im domanialen Bereich Mecklenburgs eine neue Zeit angebrochen. Die Landesregierung würdigte alle Beteiligten mit einem öffentlichen Lob:

Nachdem die durch unser Rescript vom 16. November 1867 eingeleitete Vererbpachtung Unserer Bauergehöfte sowohl als auch die gleichzeitig in Aussicht genommene Gemeindebildung nunmehr in sämmtlichen Dominal-Ortschaften in Unseren Intentionen entsprechender Weise zu Unserer vollen Befriedigung durchgeführt ist, fühlen wir uns veranlaßt, den bei diesem nicht weniger für die Erbpächter als für die künftige Entwicklung Unseres Landes, so Gott will, segensreichen Werke getheiligt gewesenen Behörden und Beamten für die Umsicht und die unermüdliche Thätigkeit, durch welche allein es möglich geworden ist, die betreffenden Arbeiten in dieser Zeit zum Abschlusse zu bringen, Unsere gnädigste landesherrliche Anerkennung auszusprechen. Indem Wir diesem Gefühle hier Ausdruck geben, und namentlich unserer beteiligten Ministerien, sowie unserem Kammer und Forst-Collegium und den Dominal-Ämtern Unsere gnädigste Anerkennung augesprochen haben wollen, beauftragen Wir unser Staatsministerium, diesen unseren Erlaß durch Veröffentlichung im Regierungs-Blatte zur Kenntnis der Betheiligten zu bringen.

Schwerin am 28sten Februar 1875
Friedrich Franz
Großherzog

Wir haben festgestellt, daß die bislang bestehenden Zeitverträge für die Hufen den Hauswirthen den wirtschaftlichen Aufstieg verbauten und gleichzeitig nur geringe Pachteinnahmen für die Regierung erbrachten, die wiederum oft allein durch die Verpflichtung zur Leistung der Unterhaltungkosten für die Gebäude aufgehoben wurden.

Natürlich sollte gleichzeitig ein unabhängiger Bauernstand geschaffen werden, der die Voraussetzung für eine befriedigende wirtschaftliche Entfaltung besaß. Die Umstellung der Pacht war allgemein vorgeschrieben, galt also für jedermann. Der Grundsatz war: Alle Bauern werden Erbpächter oder sie werden der Stellen entsetzt; Zeitpächter durfte niemand mehr bleiben. Das schloß noch fehlende Regulierungen der Ländereien ein, indem Flächenveränderungen besonders zur Schaffung von Büdnerländereien oder Einliegerländereien den bestehenden Vertragsflächen ohne Entschädigung umverteilt werden konnten. So war mit der Büdneransetzung vielfach für einen Teil der nicht zur Erbschaft berechigten Bauernsöhne eine wirtschaftliche Perspektive gegeben.

Artikel aktualisiert am 08.11.2023