Mit diesen Bestimmungen haben wir ein umfassendes, mit Recht verfassungsähnlich zu bewertendes, gesetzliches Werk vor uns, das die Geschicke Mecklenburgs für lange Zeit bis 1919 bestimmt. Der LGGEV wurde am 18. April 1755 zwischen dem Regenten des Teilherzogtums Mecklenburg- Schwerin, Herzog Christian Ludewig und den mecklenburgischen Landständen geschlossen und im Juli desselben Jahres durch Adolf-Friedrich IV. auch im Strelitzschen Landesteil ratifiziert. Allein 140 Unterschriften nebst Siegeln und 131 Namen Beigetretener festigten dieses Werk.
Die Veranlassung dazu gab der Kaiser. Der Vergleich beinhaltete die Beilegung aller zwischen den Ständen und dem Kaiser bestehenden Differenzen. Man begrüßte dieses Werk bereitwillig und war offensichtlich allzu gern dabei, sicherte es doch maßgebend die Vorteile der im Landtag dominierenden Ritterschaft. Die Anzahl und der Rang der Unterzeichnenden unterstrich das Interesse und die Zustimmung und Bedeutung des Gesetzes.
Der allergrößte Teil der Bevölkerung war allerdings grundsätzlich von jeglicher Mitwirkung oder gar Einflußnahme ausgeschlossen. Der Landbesitz war die wichtigste Bedingung für die Mitgliedschaft im gesetzgebenden Landtag.
Ohne Zweifel war und ist er das inhaltlich umfassenste und umfangreichste Vertragswerk der Mecklenburgischen Rechtsgeschichte. In 25 Artikeln und 530 Paragraphen wurden alle gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange behandelt. Ratifiziert wurde es in beiden Landesteilen, bestehend aus Mecklenburg Schwerin und Mecklenburg Strelitz und galt bis zum Jahr 1918. Das wahre Grundgesetz der landesständigen Verfassung. Die langjährigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Herzögen und den mächtigen im Landtag tonangebendenden Landständen machten eine Schlichtung überfällig.
Auf Betreiben und im Sinne der im Landtag übermächtig vertretenen Ritter und Großgrundbesitzer entstand dieser Vergleich mit dem, für diese wichtigsten Punkt im Artikel 19: Von Leibeigenen Unterthanen der Ritter und Landschaft, der Festschreibung der Leibeigenschaft. Dieser Artikel legalisierte das seit dem Dreißigjährigen Krieg begonnene Bauernlegen, und die rücksichtslose Enteignung und Unterwerfung von Menschen mitsamt Haus und Hof.
Beispielhafte Inhalte des LGGEV, diese Arbeit betreffend.
Wirksamkeit-Ergebnis des LGGEV
Der LGGEV wurde hier nur auszugsweise behandelt soweit es zum Thema und Verständnis dieser Arbeit beiträgt. Der LGGEV ist weitaus komplexer und in vielerlei Hinsicht nicht nur hemmend, bestenfalls schon auch ordnend wirksam geworden. Die Interessen der zahlenmäßig größten Bevölkerungsgruppe, der leibeigenen Bauern und Landarbeiter sind wenig oder garnicht beachtet worden. Ihre Mitwirkung ist leider nicht erfolgt, da diese Bevölkerungsgruppe im Landtag nicht einmal durch Delegierte vertreten war. Vielmehr wurden Bevormundung, Unterdrückung und Ausbeutung dieser Klasse festgeschrieben. Die Ritter und Landschaft bildeten somit einen Staat im Staate.
Darüber hinaus brachte der LGGEV mit seinen weitgehenden Mitspracherechten und Alleinvertretungssprüchen der Landstände sogar die eigentlichen Landesherren, die Herzöge in dauernde Abhängigkeit und wurde letzlich zur Ursache des Scheiterns jeglicher fortschrittlicher politischer und gesellschaftlicher Reformen. Selbst eine vorläufige Außerkraftsetzung des LGGEV 1848-1850 konnte letztlich durch die Ritter vereitelt werden. Erst die Ereignisse der Novemberrevolution 1918 als Ergebnis des verlorenen I. Weltkrieges führten zur Abdankung des Großherzogs und Auflösung des Landtages sowie der Gründung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin 1919. Der LGGEV und die unseeligen, letztlich den gesellschaftlichen Fortschritt hemmenden Machtverhältnisse waren zu Ende. So war der LGGEV letztlich das Fundament der vielbeschriebenen Rückständigkeit Mecklenburgs und eigentlicher Grund für die Verhinderung jeglicher fortschrittlicher gesesellschaftlicher Reformen.
Artikel aktualisiert am 27.05.2024