Seit ewigen Zeiten waren gerade in Mecklenburg wenige geschriebene und viele ungeschriebene Gesetze in Anwendung und auf fatale Weise war gerade die Armut und der Umgang mit ihr ungeregelt. Beispielsweise war das Betteln und Hausieren lange Zeit prinzipiell legal und wurde nur durch das Hausrecht (mittels Schild an der Haustür) eingeschränkt. Ärzte, Hebammen und Apotheker waren über ihre Medizinalordnungen gehalten barmherzig zu sein. Die Schulordnungen sahen Schulgeld- und Bücherfreiheit für die Kinder der Armen vor. Das war gesetzlich gesichert. Die Kirche als Institution hatte seit jeher – übrigens bis heute – eine außerordentliche soziale Funktion. So gab (gibt) es besonders von Kirchen und Klöstern unterhaltene, barmherzige Anstalten, sog. Hospitäler und Hospize mit ausschließlich sozialer Funktion.
Ende des 18. Jahrhundert bestand die Absicht das Armenproblem in rigoroser Weise durch die Herzogliche Regierung zu ordnen, indem man die Zuständigkeiten für jeden Armen dahingehend eingrenzte, daß man den Geburtsort als wesentliches Zuordnungsmerkmal heranzog. Danach bestand die Möglichkeit, die Zahl der aus Not durchs ganze Land vagabundierenden Armen zu kanalisieren und einzugrenzen. Dadurch waren die heimatlichen Ämter zur Versorgung und Betreuung angehalten. Ein Verlangen, besonders der diesbezüglich arg heimgesuchten Stadtbewohner.
Mit dem Ende der Leibeigenschaft entfiel, vor allem auf den großen Höfen und Gütern, das besondere Sorgerecht für Schwache, Kranke und die Alten aus dem Kreis der Hofbewohner. Wenn auch nur widerwillig, hielten sich die meisten Gutsbesitzer an diese Verpflichtung gegenüber ihren ehemaligen Untertanen. Die Gesetze zur Umsetzung der Leibeigenschaft und machmal deren eigensinnige mangelhafte Befolgung führten, besonders auf dem Lande, zu einem Anstieg der Armut. Weil die Armut zu jener Zeit auch anderswo vorhanden war und für jede Gesellschaft eine große Herausforderung darstellte, waren die Anstrengungen der Mecklenburgischen Regierung betrachtenswert.
Die Armenordnungen führten ohne Heimatschein zur Landflucht
1821 schaffte eine landesherrliche Armenverordnung umfassendere Regelungen, den Armenproblemen zu begegnen. Allem voran wurde ein allgemeiner Beitragszwang zu den Armenkassen befohlen, durch den eine regelmäßige finanzielle Beteiligung aller an der Armenversorgung erreicht werden sollte. Weiterhin gab es die sogenannte gegenseitige Alimentation, nach der die Kinder für die Eltern und die Eltern für die Kinder bei Bedürftigkeit gesetzlich zur Haftung verpflichtet wurden. Zweifellos zwei entscheidende Festlegungen. Auch gab es die gesetzliche Regelung der Ansprüche, die die Armen aus der reinen Barmhezigkeit herausführen sollte. Mittel zur Umsetzung einer gezielten Zuordnung der Versorgung sollte ein zu schaffendes Heimatrecht werden. Das Prinzip ist ein Heimatrecht an einem Ort für Jeden, mit der Auflage, dass ein bestimmtes Amt für die Versorgung und Betreuung zuständig sein sollte.
Der bisherige Zustand der Armut war das allgemeine Vagabundieren wegen der verlorenen Sesshaftigkeit und damit verlorener Zuständigkeit bestimmter Ämter. Die Gemeinden und Ämter schoben sich die Armen gegenseitig zu. Ordnung mußte her. Das Heimatrecht sollte, ja mußte es richten. Eine unter der Wirkung der grundsätzlichen Dreiteilung Mecklenburgs in domaniales, ritterschaftliches und städtisches Regierungsgebiet mit vielen gewollten Abgrenzungen, mit den häufig widersprüchlichen Rechtsauffassungen, war ein sehr schwierige Unterfangen. Beispielsweise war die Erlangung des Heimatrechts an eine Reihe von Bedingungen gebunden, die selbstverständlich möglichst amtlich nachweisbar -durch einen Heimatschein- nachgewiesen werden mußte.Dieser Nachweis war von der jeweiligen Gemeinde oder der Kirche zu bestätigen, die damit unter Umständen einen weiteren Anspruchsberechtigten mehr zu versorgen hatte. Das war den damaligen Verhältnissen entsprechend, verständlicher Weise sehr schwer erlangbar. Eine Voraussetzung war beispielsweise: Nur bei mindestens zweijähriger Anwesenheit mit eigenem Herd in einem Dorf konnte ein Heimatrecht abgeleitet werden. Ein eigener Herd oder die eigene Feuerstelle war bis Ende des 19. Jahrhunderts das amtliche Merkmal für einen eigenständigen Haushalt aber wiederum an neue Voraussetzungen geknüpft.
Unselbständige Personen konnten nur durch eine fünfzehnjährige ununterbrochene Dienstzeit auf irgend einer Stelle in ein und demselben Dorf das Heimatrecht erwerben. Eine große Zahl der auf ihren ehmaligen Höfen freigesetzten unbrauchbaren Leibeigenen wurden Arbeitslose ohne Heimatrecht. Einigen gelang die Flucht in die Städte oder sie wanderten aus, wenn sie die Schiffskosten begleichen konnten. Die finanzielle Möglichkeit bestand manchmal, wenn die Überfahrt durch Vorschuß gewährt wurde oder vorausgefahrene Angehörige bürgten. Die gleichzeitigen Bestrebungen der herzoglichen Ämter zur Ansiedlung von Büdnern und Häuslern, kam für ehemalige Leibeigene aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Es waren sehr schlimme, für die Betroffenen schwer erfüllbare Bedingungen.
Dies alles ist in der Verserzählung Kein Hüsung, des mecklenburgischen Dichters Fritz Reuter, sehr gut beschrieben. Wer den begehrten Ausweis, den sogenannten Heimatschein nicht erlangte, weil die Bedingungen für ihn unerfüllbar waren, vagabundierte illegal oder landete letztlich, in einem eigens dafür eröffneten Arbeitshaus. Im Regelfall war eine Einweisung vorausgegangen. Eines davon, für unseren Amtsbereich zuständig, war das schon im Jahr 1817 dazu umgerüstete Güstrower Schloß. Geplant war dort die Aufnahme von mehr als 500 Menschen. Diese Einrichtungen waren die offiziell letzte Station. In der zunächst wohlmeinenden Anstalt entwickelten sich mit der Zeit z. T. unmenschliche Bedingungen wegen zunehmender Überbelegung. Dieses Arbeitshaus wurde berüchtigt und wenn irgend eine Straffälligkeit dazu kam, drohte als Steigerung das gefürchtete Karrenschieben auf der Festung Dömitz, die lange als Zuchthaus diente. Das Landarbeitshaus in Güstrow existierte bis 1864 und war wegen der allein durch Überbelegung herrschenden unmenschlichen Verhältnisse gefürchtet.
1824 erfolgte ein Versuch der Gegensteuerung durch die Landesregierung mittels einer neuerlichen Armenordnung. Zusammenfassend wurde in dieser Ordnung verfügt: Alle nicht zum Amte oder einem Gut gehörenden fremden Personen, es gab zeitweise über vierzig Ämter in Mecklenburg deren Bewohner in diesem Zusammenhang gegenseitig als fremd galten, waren festzustellen. Wer sich nicht selbst ernähren konnten oder wollte war festzustellen und beim nächsten Amtsgericht abzuliefern. Ausdrücklich wurden Schulzen und Hauswirthe als Ausführende unter Androhung von 2 Reichsthalern Strafe bei Verstoß, benannt. Möglichst sollten alle Personen an die Orte zurückgeführt werden aus denen sie stammten und dort zu leichten Arbeiten gebracht werden. Die übrigen wahren Armen, (es gab offensichtlich auch falsche Arme) sollten von Verwandten und vermögenden Mitbenwohnern Speisen, Trank, Kleidung, Obdach, Feuerung, Arztbehandlung und Arznei, so in der Ordnung vorgegeben, erhalten. Ein System das leider auch nicht funktionierte. An der Stelle sei erwähnt, daß der Schulunterricht und die Lehr- und Lernmittel der Kinder der Armen seit ewigen Zeiten freigestellt war.
Die 1824er Armenordnung legalisierte das Betteln mit einem offiziellen Ausweis innerhalb des Amtsbezirkes aus dem der Arme ursprünglich kam. Dazu war eine weitverbreitete Methode, die Ausgabe von amtlichen Zetteln aus fälschungssicheren, dauerhaften und personengebundenen Zetteln oder Bleimarken. Den Predigern wurde befohlen, alle Kirchgänger in Gottes Namen im Gottesdienst regelmäßig zum extra Sammeln zu animieren. Besonders auf Hochzeiten, Kindstaufen und Begräbnissen sind durch den Küster Speisen und Geld einsammeln zu lassen. Soweit der schlimme Zustand der zum Zeitpunkt der Aufhebung der Leibeigenschaft im Domanium herrschte. Eine Art Akzeptanz des armen Bevölkerungsteils mit Bemühungen zu deren Versorgung möglichst ohne Amtsbeteiligung. Auch diese Ordnung enthält keine ernsthaften Ansätze der Beseitigung der Ursachen der Armut. Für die Behandlung des Armenproblems gab es somit zwei Kriterien:
- die Feststellung der Zuständigkeit für die der Armen, d. h. die Zuordnung zu einer bestimmten Stadt oder Dorf. Diese war an einen Wohnsitz oder andere verbindliche schwer zu erbringende Bedingungen gebunden.
- die Sanktionierung der Bettelei, um die Kosten auf die breite Bevölkerung zu verteilen und darüber hinaus die Bildung zentralen Armenkassen im jeweiligen Amt, bei der Begleichung von Arzt- und Arzneikosten.
Natürlich gab es für die Ämter und deren eingeschränkten Armenkassen zunehmende Probleme, nämlich Unterkunft, Nahrung, Kleidung und Heizung für die armen Probanten zu organisieren und zu finanzieren. Es wurde endlich eine landesweite, halbwegs nachhaltige Lösung angestrebt und ein komplexes System zur Behandlung der Frage erdacht und beschlossen.
Die Armenfürsorge in alleiniger Verantwortung des Dorfes
Die Gemeindeordnung vom 31. Juli 1865, ergänzt durch eine Schulordnung und die Armenordnung, führte endlich zu einer ordentlichen zusammenhängenden Handhabung. Die Zuständigkeit der Gemeinden wird von einer finanziellen Ausstattung begleitet, die in der Hauptsache in der Übergabe der Dorffeldmarken aus der Hand des Amtes in die der Gemeinde bestand. Verpachtet an die Büdner und Einlieger waren die finanziellen Erlöse aus diesen Ländereien der Grundstock für die Dorfkassen. Zusammen mit dem Armengeld, das jeder Dorfbewohner entsprechend seiner Stellung beitragen mußte, war die Gemeinde in der Lage zu handeln.
§ 1
Nach Maßgabe derselben soll die O R T S S C H A F T S -A R M E N P F L E G E im ganzen Domanium eigeführt werden:
§ 2
Die einzelnen Ortschaften übernehmen vorbehaltlich der zu gewährenden Hilfen mit ihrem Ausscheiden aus dem Amts-Armenverband die aushülfliche Fürsorge für ihre Armen. Die Zwangsbeiträge zur Amtsarmenkasse hören für alle Bewohner der Ortschaft auf. Die Amtsarmenkasse bleibt nur für die den Ortschaften zu gewährenden Hilfen bei Bestand.
§ 3
Jede selbständige Person, welche in den Domainen beheimatet ist, gehört der jenigen Ortschaft an, wo sie bei dem Ausscheiden aus dem Amtsarmenverband einen eigenen Herd hat oder ein eigenes Gewerbe betreibt oder von ihrem Vermögen lebt, auch wenn dieser Aufenthalt noch keine zwei Jahre gedauert hat. Streitigkeiten regelt das Amt mit Hilfe der Ortsvorstände.
§ 4
In den Ortschaften , wo die neue Gemeineordnung eingeführt wird, gehört das Armenwesen zum Bereich der Gemeindeverwaltung. Dabei gilt für die Hoffeldmarken folgendes zum Anhalt. Die Armenpflege wird vom Pächter des Hofes (Vorstand Armenpflege) geleitet. Erklärt der Pächter, daß er die Armenlast des Ortes tragen und dazu von den Tagelöhnern überall keinen, von anderen Bewohnern der Feldmark aber einen vom Amt fetsgelegten Beitrag erheben soll, so wird von ihm keine Rechnungsführung verlangt.
§ 5
In Bezug auf Gesundheitspflege, Taubstumme, Blinde und Geisteskranke concurriert die Amtsarmenkasse mit der Ortsarmenkasse nach gewissen näher bestimmten Anteilen.
§§ 6 – 17
enthalten Bestimmungen über Armenkaten, Armenfeuerung, Hilfen bei unverschuldeter Überlastung der Ortschaft, Unterstützung Nichtangehöriger, die Amtsarmenkasse, Erstattung der Unterstützungen, Vermietung der Wohnung des Grundbesitzers oder Altentheilers, Unterbringung der Obdachlosen, polizeiliche Bestimmungen über Arme, ferner Bestimmungen für ortsangehörige Vagabunden und Bettler, über Aufsicht und Beschwerdeführung. Aufhebung der vorangegangenen Armenordnungen (1856 und 1859).
Aus den polizeilichen Bestimmungen für Arme ist noch nachstehendes hervorzuheben: Der Vorstand ist berechtigt und verpflichtet, Vorbeugung der Verarmung der Ortsangehörigen auf deren ordentlichen, nüchternen und sittlichen Lebenswandel nicht bloß umittelbar durch die geeigneten erlaubten Mittel hinzuwirken, sondern auch die nach Gesetzen und Ordnungen zulässigen Besserungs-, Sicherungs- und Strafmittel bei den zuständigen Behörden gegen Übertreter zu beantragen. Ortsarme, welche ihnen gewährte Unterstützung mißbrauchen, empfangene Sachen veräußern und ruchlos verwenden, sich, die Ihrigen und ihre Wohnungen nicht rein und die Kleidung nicht nach Möglichkeit heil halten, Branntwein im Übermaß trinken oder über gebührliches Maß kaufen, sich den ordnungsmäßigen Weisungen und Bestimmungen der Vorstandes, namentlich der Aufstellung zur Arbeit nicht fügen und ähnliche Ordnungswidrigkeiten begehen, sind fördersamst beim Amte zur Anzeige zu bringen. Die Schuldigen sind nach geführter Untersuchung strenge zu bestrafen. Ob und unter welchen Bedingungen die Abführung in ein Arbeitshaus stattfindet, ist nach dessen Statuten zu bemessen. Hat bei rückfälligen Bettlern und Vagabunden der Vorstand es an geeigneten Mitteln zur ihrer Abhaltung vom Bettel und Umbetreiben fehlen lassen, so ist ihm bei grober Verschuldung nach Befinden Strafe aufzuerlegen. [23]
Soweit die Bedingungen für Bürgermeister und Dorfversammlung in Glashagen. Nachfolgend die auszugsweise Betrachtung authentischer Begebenheiten.
Die in Sitzungsprotollen beschriebene Arbeit mit den Glashäger Ortsarmen.
Die oben erwähnte Armenordnung ist ein wichtiger Bestandteil der Gemeindeordnung von 1869. In dem für dem für Glashagen vorliegenden Protokollbuch über die Zeit von 1871 bis 1941, lesen wir vieles zum Thema. Die Ausführlichkeit der Behandlung an dieser Stelle geschieht einmal, weil die Möglichkeit besteht. Hauptsächlich jedoch, weil es die sozialen Belange der Dorfbewohner, nämlich ihre Unterbringung und die Versorgung mit einem Stück aus dem Einliegeracker und letztlich die Armenversorgung am besten zeigt. Die Ansprüche aus der Armenkasse fußen zunächst weitgehendst auf den Bestimmungen der berüchtigten Heimatgesetze, d. h. sie regeln die Zuständigkeit für die Versorgung der Armen. Aus den Beschlüssen der Gemeindeversammlungen sehen wir, daß zu Beginn des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen eine Häufung diesbezüglicher Anträge vorlag. Die finanziellen festen und laufenden Aufwendungen für den Bereich der Armenversorgung machte die Bildung einer entsprechenden Armenkasse nicht nur wegen der Vorschrift in der Ordnung sondern objektiv zwingend erforderlich. Wie schon gesagt, die Pachteinnahmen waren der Grundstock der Armen- und Gemeindekasse. So ist die Regulierung der Verpachtungen, trotz des geltenden Regulativs keine einfache Sache aber Vorausbedingung um das Geld für die Arbeit mit den Armen zu erhalten. Im folgenden wird der Versuch unternommen, die Mühen zu beschreiben, die Bürgermeister und Gemeindevertretung allein mit diesem Thema der Gemeindeverwaltung hatten.
Am Anfang erfahren wir daß die sog. Übergabe der fortan als Gemeindeland zu bezeichnenden Ländereien nicht gratis erfolgte. So wird, etwas kritisch betrachtet, die Übergabe des Armensystems vom Amt an das Dorf so ganz nebenbei an den Verkauf der seit Ewigkeiten zum Dorf gehörenden Feldmark gekoppelt.
1871 beginnend bietet die Großherzogliche Kammer der Gemeinde in Glashagen jetzt die von den Einlieger-Ländereien abgetrennte und abgenommene Ackerfläche von 1725 Quadratruthen Ackerland Wege von Glashagen nach Reddelich belegen für den Preis Von 400 Reichsthaler Courant mit Grundeigenthum zum Kauf an. Die Dorfgemeinde erklärte einstimmig, diesem Kauf zuzustimmen und bestellte gleichzeitig zwei Abgeordnete in der Person des Schulzen Borgwardt und des Erbpächters Griese und erteilte den beiden unbedingte Vollmacht, den Kauf mit dem Großherzoglichen Doberaner Amte abzuschließen.“
[5, Seite 2]
Etwas später wurde vereinbart innerhalb von acht Tagen die erste Rate von 100 Reichstaler nebst Gebühren zu zahlen und den Rest von 300 Reichsthalern nebst fünfzehn Prozent Zinsen zu Michaelis 1872 zu zahlen. Die Dorfversammlung will diese Bedingungen erfüllen. Der Schulze Borgwardt übernahm die Auszahlung beider Beträge, wogegen sich die Dorfversammlung verpflichtet viereinhalb Prozent Zinsen jährlich zu zahlen. Beide Vertragsparteien behielten sich eine halbjährige Kündigungsfrist vor.
gez.: Holzwärter Lübbert, Lehrer Methling, Erbpächter Griese
Trotz noch leerer Kasse ging man gerne auf diesen vermeintlich günstigen Kauf ein. Bemerkenswert ist die Bereitschaft und das Vermögen des Schulzen, hier helfen zu können.
1871 kam die Dorfversammlung zusammen um zu beraten, ob die Verhältnisse des Büdners Brockmann es erlaubten, die Einkleidung für seine geisteskranke Tochter auf dem Sachsenberge (Schweriner Irrenanstalt) von ihm selbst zu bestreiten. Der Büdner Brockmann erklärt sich zu einem Vertrag mit dem Schulzen Borgwardt und Holzwärter Lübbert bereit. Büdner Brockmann gab nachstehendes zu Protokoll: Ich, endesunterschreibender, verpflichte mich, falls meinen Tochter vom Sachsenberge als blödsinnige oder sonstige nicht zu jeder Arbeit taugliche zurück kommen sollte, ich dieselbe zu mir nehmen und ernähren will und daß sie nie der Gemeindekasse in Glashagen zur Last fallen soll.
gez. X X X (Der Büdner Brockmann konnte seinen Namen nicht schreiben, sodaß er das Protokoll mit drei Kreuzen unterschrieb. Die Richtigkeit beglaubigten: Büdnervertreter Thamms, Schulze Borgwardt und Lehrer Methling.) [5, Seite 4]
1871, im Dezember gab es eine erneute Initiative in Angelegenheit Brockmann: Die von der Dorfversammlung bevollmächtigten Holzwärter Lübbert und Schulze Borgwardt erschienen im Großherzoglichen Amt Doberan und erklärten, dass weder Brockmann, noch die Gemeindekasse die anstehenden Entlassungskosten tragen können. Wohl werden die Einkleidungskosten nicht aber die Summe der ausstehenden Unterbringungskosten durch die Gemeindekasse bezahlt werden können, weil diese erschöpft sei. Entsprechend der neuen Gemeindeordnung wird der Ersatz des ausgelegten Geldes vom Amt angefordert um es dem Verleiher Erbpächter Griese aushändigen zu können. [5, Seite 4]
Weiter ging es 1871 um die Versorgung der Witwen Bringmann und Runge, die seit mehreren Jahren in Stülow bzw. Sandhagen bei Angehörigen wohnten. Der Streit wurde darüber geführt, in wieweit das neue Heimatgesetz angewendet werden müsse. Es gab mehrere Beratungen im Dorf und Amt zu solchen Problemen.
1873, im Februar, wurde ein weiterer typischer Fall der Armenfürsorge in der Gemeinde verhandelt: Es wurde Meldung gemacht, dass der Arme Geier verstorben sei, gleichzeitig wurde beschlossen, für Sarg und Einkleidung dieser Leiche einen Betrag aus der Armenkasse zu bewilligen. [5, Seite 4]
1873, am 2. Juli fand eine Sitzung statt, die sich sehr gut zum Nachweis einer weiteren Seite der Armenarbeit eignet:
In der heutigen vollzähligen Dorfversammlung wurde die Frage vorgelegt, wie es mit der geschwängerten Marie Hopp, welche zur Zeit beim Schulzen Borgwardt dient zu machen sei. Dieselbe ist in Stülow beheimatet, damit sie nicht in Glashagen nach dem neuen Heimatgesetz das Heimatrecht erwerben kann, ist am 29. Juni des Jahres die Aufforderung an den Gemeindevorstand Stülow gegangen, die Erklärung abzugeben, ob sie diese in Glashagen ausgewiesene Marie Hopp aufnehmen will oder nicht. Nachdem die Erklärung von Stülow, datiert vom 1. Juli hier eingegangen, welche besagt, daß diese Gemeinde nichts mit der genannten Hopp zu tun haben will, haben wir beschlossen, der Hopp aufzugeben, sich selbst gefällig an den Gemeindevorstand Stülow zu verwenden, mit der Bitte, sich in der Stülower Gemeinde Unterkommen verschaffen zu können, im Falle einer Verweigerung sich selbst beschwerend an das Großherzogliche Doberaner Amt zu verwenden.
Protokollbuch, Seite 16 [5]
1873, 11. September: Tagesordnung Pkt. 1.
„Auf der heutigen Sitzung ist der Beschluß gefaßt worden auch zu Michaelis des Jahres zur Gemeinde-und Armencasse zu zahlen und zwar in der Weise: Jeder Erbpächter zahlt 4 Thaler 32 Schillinge, dann der Holzwärter den vierten Theil, der Lehrer den achten Theil, jeder Büdner den sechsten Theil, der Händler den achtzehnten Theil und jeder Einlieger den vierundzwanzigsten Theil. Der Zahlungstermin wurde auf den 27. des Monats festgesetzt.„
Tagesordnung Pkt. 2.
Dem verstorbenen Füsilier Pappenhagen sind zur Einkleidung 2 Thaler jedoch mit dem Zusatz: Wenn auch ein Paar Schillinge mehr verbraucht werden sollten, so sollen auch die erstattet werden. (Anfang Juli d. J. waren dem Füsilier Pappenhagen zur Beschaffung freier Medizin für die Dauer seiner Krankheit erstmalg 4 Thaler aus der Armenkasse übergeben worden.) Die Todtenfrau brachte die Rechnung von 2 Thaler 19 Schillinge und wurde ihr diese verlangte Summe aus der Gemeindecasse ausgehändigt. Bei der Einkleidung der Leiche hat jedoch der Einlieger Jörn Hamann außer der bewilligten Summe den ganzen besten Anzug des Pappenhagen mit verwenden lassen, obgleich ihm gesagt ist, daß dessen Nachlaß beim allenfalligen Absterben desselben der Gemeindecasse zufällt und ist daher beschlossen, dem Jörn Hamann die 2 Thaler 19 Schilling, bei Berücksichtigung des Restgeldes für den genannten Pappenhagen in Abzug zu bringen.
gez. Schulze Borgwardt und Büdnervertreter Thams
[5, Seite 8]
1880, am 14. August stellte der Schulze Borgwardt folgenden Antrag: Die Ehefrau des augenblicklich in Untersuchungshaft befindlichen Zimmermannes Pentzin hierselbst sei wiederholt gekommen und habe um eine geringe Unterstüzung gebeten, er habe bereits solche aus der Gemeindekasse gemacht, welche das Rechnungsbuch nachweisen könne. Er frage weiter an: ob ferner die genannte Pentzin Ausnahmeünterstützungen bekommen könne. Es wurde der Beschluss gefasst: Der genannten Pentzin sei ferner geringe Unterstützung bis zur Rückkehr ihres Mannes zu gewähren.
1880, am 12. Oktober wurde unter 3. beschlossen: Es ist dem Schulzen Borgwardt anheim gegeben für die Frau des Zimmermanns Pentzin die Ackerpacht, sowie auch die Miethe aus der Gemeindecasse zu zahlen und dieselbe ferner, wo sie Noth hat aus der Gemeindecasse zu unterstützen.
In gleicher Sitzung wurde unter Tagesordnungspunkt 4. beschlossen: Da der Zimmergeselle Pentzin aus Glashagen seit dem 2. Oktober d. J. eine Haftstrafe im Zuchthaus zu Bützow von 3 Jahren erleidet und es der Glashäger Gemeinde obliegt, welche nur schwache Mittel besitzt, die Ehefrau des Zimmergesellen Pentzin mit ihren sechs Kindern während dieser Zeit zu unterstützen, so erlaubt sich der Schulze Borgwardt die Anfrage beim Amte zu stellen, ob es wohl nicht möglich ist, daß für die Pentzinsche Familie eine Gnaden-Unterstützung gewährt werden kann, (etwa aus der Staatscasse). Sämtliche hier anwesenden Mitglieder erklären sich hiermit einverstanden.
gez: Allwardt Griese Methling [5]
1880, am 15. Mai, wurde ein völlig anders gelagerter, sehr seltener, hier im Dorf in allen Jahren einmaliger Sozialfall verhandelt: Bild Rechts
Am 2. März 1919 fanden Gemeindevertreterwahlen statt, die auf Grund der durch die neugewonnen politischen Rechte (Weimarer Republik) zur Ablösung der alten Gemeindevertretung führten. Vorher war der Bürgermeister Erbpächter Jürges; Gemeindevertreter waren die Erbpächter Herrmann Griese und Heinrich Griese, der Förster Fietensee und die Büdner Heinrich Hennings und Heinrich Völker. An ihre Stelle traten: Bürgermeister Lehrer Buß, die Büdner Weitendorf (stellvertetend) und Bartels, der Forstarbeiter Heiden, sowie die Arbeiter Hünemörder und Häusler Krohn. Infolge kam es zu einer anderen Beurteilung der Anträge der Ortsarmen, beispielsweise:
- Am 9. März 1919 stellte der Arbeiter Sommer einen Antrag auf Unterstützung, zwecks Beihilfe zum Krankenhaus in Rostock. Der Antrag wurde angenommen, wobei der Antragsteller die Zahlungen in gesunden Zeiten wieder zurückzahlen sollte, jedoch im Juni und zwar ratenweise.
- Weiter wurde im Oktober die Altenteilerin Schünemann mit einmalig 16 Mark zum Ankauf von Kartoffeln bedacht.
- Im Januar bewilligt man dem Gemeindeboten Kröger, nach Antrag, 2 Mark für jeden Botengang.
- Im Januar erhielten die Dorfarmen Schünemann und Ruwoldt in Rücksicht auf die immer mehr aufsteigenden Preise außer der ihnen zukommenden Armenunterstützung von 15 Mark monatlich, eine Teuerungszulage von 10 Mark, solange die teure Zeit reicht.
- Auf der Seite 221 des Protkollbuches befindet sich die folgende Eintragung: Anhang, die Ortsarme M. Schünemann soll für ihr Spinnrad 25 Mark Beihilfe gegeben werden und das Rad kostet 35 Mark, im Sterbefalle wird es auf der Auktion verkauft und dann erhält die Tochter ihren Teil wieder zurück.
Unterschriften H. Buß, H. Heiden, J. Krohn, C. Hünemöder, Bartels, Weitendorf.
Am 23. Dezember 1921 lag ein Antrag von Büdner Nieman, Büdnerei II, auf Erhöhung der Miete für die Ortsarme M. Schünemann vor. Eingegangen war der Antrag vom Mieteinigungsamt, von dem er gestellt war. Gefordert war eine Erhöhung der Miete von 75 Mark auf 100 Mark. Da der {L.N. BII} den Antrag schon beim Mieteinigungsamt gestellt hatte, lehnte die Gemeindevertretung den vom Mieteinigungsamt gestellten Antrag auf freiwillige Erhöhung mit 4:1 Stimmen ab, um dem Mieteinigungsausschuß die Entscheidung zu überlassen. gez. Buß, Heiden, Hünemörder Krohn.
Einen letzten Beschluß der Gemeindeversammlung gebe ich im Original wieder, weil er gelesen werden sollte, um ihn zu glauben:
Ein Qualitätssprung in der Armenversorgung dürfte die folgende Eintragung von November 1921 sein: Weiter wurde beschlossen, die Ortsarmen in die Amts-Landkrankenkasse in der ersten Stufe aufnehmen zu lassen, den Betrag dafür zahlt die Gemeinde.
Hier verzichte ich auf weitere Erklärungen und gebe an dieser Stelle noch den Hinweis auf die Berichte der Zeitzeugen zur sozialen Situation zu verschiedenen Zeiten in unserem Dorf.
Artikel aktualisiert am 26.05.2024