Erich Schönfeld war der erste Nachkriegslehrer an der Glashäger Schule und wirkte dort bis zur Schließung. In seinem Nachlass fand sich nachfolgendes Tagebuch aus dem wörtlich zitiert wird:
Im Oktober 1945 kam der Schreiber dieser Zeilen an diesen Ort, beauftragt zur Verwaltung der hiesigen Schulstelle. Der Unterricht wurde sofort aufgenommen. Seit dem Einrücken,der Besatzungsmacht [Anmerkung: 4. Mai 1945 die sowjetische Rote Armee], war kein Schulunterricht mehr gewesen. Der Vorgänger, Lehrer Buß, der seit 1917 hier gewirkt hatte, war im Mai 1945 freiwillig aus dem Leben geschieden.
Durch die vielen Umsiedler aus dem Osten hatte das Einwohnerbild des Dorfes sowie auch die Zusammensetzung der Schülerzahl ein wesentlich anderes Gepräge erhalten. Von den 80 Schulkindern gehörten 2/3 zu den Umsiedlern. Viel gab es zu tun. Es galt von Neuem anzufangen und aufzubauen. An Lehr- und Lernmitteln war nichts mehr in der Schule vorhanden. Alles, was noch an die Nazizeit erinnerte, wurde ausgemerzt. Wir wollten doch jetzt eine neue deutsche demokratische Schule schaffen und neue demokratische Menschen bilden, die frei sind von jeglichem Rassen- und Völkerhaß. In diesem Sinne wurde auch das erste Weihnachtfest nach dem schrecklichsten aller Kriege in der Schule gefeiert.
Die Schüler gestalteten das Programm und für die Umsiedler waren reichlich Lebensmittel, besonders Fleisch und Speck gesammelt worden, die dann als Spende verteilt wurden. So war das Weihnachtsfest 1945 ein wahres Fest der Dorfgemeinschaft geworden. Dieses alljährliche Fest hat Tradition im Dorf bekommen und war von Anfang an sehr wichtig für den Zusammenhalt der gesamten Einwohnerschaft.
Im Januar 1946 mussten alle Lehrer, die in der Zeit der Naziherrschaft gearbeitet hatten, auf Befehl der Sowjetischen Militär Administration hinsichtlich ihrer Systemnähe überprüft werden und den Unterricht einstellen. Da auch der jeweilige Stelleninhaber dazu gehörte, waren die Kinder mehrere Monate ohne Unterricht.
Im Februar 1946 kam dann die Hilfslehrerin Frau Baehr als zweite Lehrkraft hierher. Die hiesige Schule wurde von jetzt ab als zweiklassige Schule geführt. Frau Baehr unterrichtete die ersten vier Jahrgänge, die weiteren Jahrgänge blieben bis auf weiteres ohne Unterricht.
Da das Schulhaus voll mit Flüchtlingen belegt war, wohnte Frau Baehr die ersten Wochen in Stülow, bekam dann aber eine Wohnung in der Büdnerei 13 bei Frau Strübing in Glashagen. Im Juni 1946 wurde der Stelleninhaber Lehrer Schönfeld auf Befürwortung aller anti= faschistischen Parteien mit Genehmigung der SMA von der Landesregierung wieder in sein Amt als Schulleiter eingesetzt.
Der Unterricht wurde nun vor- und nachmittags abgehalten, da nur ein Klassenraum für 80 Schüler vorhanden war. Im Juli fand die Entlassung der 14- jährigen statt. Jetzt beginnt das Schuljahr am 1. September und endet Ende Juli mit Beginn der Sommerferien.
Um den Bedarf an Lehrkräften zu decken, werden laufend kurzzeitig welche ausgebildet, die dann als Jung- bzw. Neulehrer in den Schuldienst eingestellt werden. Zwecks Weiterbildung dieser Kräfte ist wöchentlich ein Studientag angesetzt, an dem dann alle Lehrkräfte zusammenkommen und durch Lektionen, Referate, Diskussionen und Vorträge aus allen Fächern die Junglehrer fördern, so daß sie nach zwei Jahren praktischer Arbeit ihre erste Lehrerprüfung machen können. Auf die politische Ausrichtung des Lehrers wird vor allem großer Wert gelegt. Vielen gelingt es, über die Stationen eines Neu- und Junglehrers zusätzlich mit einem zweiten Examen gute Lehrer zu werden.“
Ende Mai 1946 kommt das “Gesetz zur Demokratisierung der Schule“ heraus unter Mitwirkung der sofort gebildeten Schulausschüsse geht das Lernen unter den neuen Bedingungen los. Es gibt für vieles neue Regelungen im inner – und außerschulischen Bereich. An Lehrer und Schüler wurden völlig neue Anforderungen gestellt.
Der Kreis Rostock- Land ist in Rektorate eingeteilt. Das Rektorat Hastorf besteht aus Hansdorf, Gorow, Hohenfelde und Glashagen. Neuerdings finden im Monat drei Arbeitstagungen statt:
Erich Schönfeld, Tagebuchaufzeichnungen, [48]
- „Kleine Arbeitstagung“ alle aus dem Rektorat umgehend in einer anderen Schule.
- „Große Arbeitsgemeinschaft“ alle aus dem Umfeld Doberan
- „Die FDGB-Tagung“, an der sämtliche Lehrer teilzunehmen haben.
Die Aufbruchstimmung der Kinder und Jugendlichen im Dorf
Den außerschulischen Alltag verbrachten die Kinder altersabhängig natürlich wie alle Kinder, dennoch halfen sie hier und dort den Eltern bei jeglichen im landwirtschaftlichen Alltag saisonbedingt anfallenden Dingen im eigenen Haushalt, in Feld und Garten oder im Umgang mit dem Vieh. Für die Allgemeinheit zu leistende Tätigkeiten (damals als gesellschaftliche Arbeit bezeichnet), waren häufig solche Arbeiten die meist alternativlos irgendjemand machen mußte für die aber die Strukturen fehlten oder in der Planwirtschaft keine Kapazitäten eingeordnet waren. Auch mit dem Vernichten von Kartoffelkäfern oder dem Sammeln von Kräutern und Verziehen der Rüben. Daneben wurde durch die Kinder und Jugendlichen sogenannte gesellschaftliche Mitarbeit durch Kräutersammeln, Erntehilfe und ähnliches geleistet. Bestimmte Zielsetzungen waren gern an Termine, wie 1. Mai oder den 8. Mai (Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus), Parteitagstermine sowie Geburtstage politischer Persönlichhkeiten gebunden. Nicht zuletzt waren nationale und internationale Jugendtreffen und die ehrenhafte Delegierung zur Teilnahme allemal ein Anreiz zum Mitmachen.
Gleichzeitig größten Teils der Kinder wurde durch Mitarbeit in der Pionierorganisation und später in der Freien Deutschen Jugend gelebt. Die vielfältigen Möglichkeiten und Mittel dieser Organisationen, wie Sport, Spiel, Feriengestaltung, Arbeitsgemeinschaften u.a. beförderten die Mitgliedschaft nicht wenig. Kriegsjahre und Vertreibung und die schrecklichen Erlebnisse waren vorbei, es war Frieden und es ging vorwärts. Später, so erfuhr und erlebte man, war die Mitgliedschaft in den politischen Jugendorganisationenen, wie „Junge Pioniere“ und „Freie Deutsche Jugend“ für das berufliche und schulische Fortkommen förderlich, häufig genug sogar Bedingung. Viele haben auch aus ehrlicher politischer Überzeugung hier ihre Erfüllung gesehen. Kurzum, letztlich ging es um die Erziehung und Prägung der Jugend im Sinne späterer staatlicher Anforderungen und Ziele. Die staatliche materielle Förderung war beachtlich, so machte man dieses „frohe Jugendleben“, wie es damals benannt war gern und wirklich freiwillig mit.
Wir sehen, daß die Erziehung der Jugend spätestetens seit dem 1946er Gesetz zur Demokratisierung der Schule, Staatsdoktrin ist. In diesem Zusammenhang muß die Erziehung und Beeinflußung der Jugend als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden.
Ein besonderes Ereignis war z.B. die festliche Einschulung und Verabschiedung zunächst der 8.-Klässler und später der 5.- Klässler. Die Weihnachtsfeiern wurden, wie erwähnt seit 1945 intensiv vom Lehrer vorbereitet und in der Schule gefeiert. Es gab bis zu 30 Programmpunkte. Dazu wurden mit Beteiligung aller Kinder kleine Spielstücke, sowie Geschichten oder Gedichte mit verteilten Rollen aufgeführt. Es gab für jedes Kind ein Geschenk, allein 1949 gab es 93 Päckchen. Die Feier wurde für die Eltern wiederholt. Den Unterlagen zufolge wurden diese Feiern nachweislich bis 1952 gepflegt.
Am 1. Januar 1949 wurde die zweite Lehrkraft Frau Baehr von hier an die Heimschule nach Nienhagen versetzt. Jetzt muss Glashagen wieder von einer Lehrkraft verwaltet werden.
Zu diesem Zeitpunkt waren 67 Kinder in dieser Schule. Bei Übernahme 1945 waren es nahezu 80 Schüler, die Kinderzahl bewegte sich in den einzelnen Jahren wie folgt. 1946, 80; 1947, 78; 1948, 69; 1949,63; ab 1950 wird die Schule eine Teilgrundschule in der nur die Jahrgänge 1 bis 4 unterrichtet werden. Die Goetheschule in Doberan wird Zentralschule. Darum müssen alle Kinder vom 5. Schuljahr an nach Doberan zur Schule, die sie zu Fuß oder per Fahrrad, teils auch mit dem Zug von Reddelich aus erreichen. In Doberan kommt als Fremdsprache „Russisch“ dazu , die von Fachlehrern unterrichtet wird.
So wurde das neue Schuljahr in Glashagen mit 40 Kindern eröffnet, von denen 15 nach einem Jahr in die 5. Klasse versetzt wurden und übrig blieben nun 25 Kinder auf vier Schuljahre verteilt. Eine Zahl, die für Schüler und den Lehrer gut ist.
Im Oktober 1950 wird Willi Oldenburg Bürgermeister, seine Vertreter sind Hans Uplegger und Wilhelm Niemann. Weitere neun Männer werden Gemeindevertreter. Schon lange beschäftigte sich die ganze Gemeinde mit der Erstellung eines Kulturraumes; denn alles, was im Dorf vorging und stattfand, seien es Versammlungen und Sitzungen der Gemeinde jeder Art, Feiern und Feste usw. fanden in der nicht immer geeigneten Schule statt. Auf die Dauer war das ein sehr unbefriedigender Zustand.
Der Initiative des Bürgermeisters Oldenburg und der Mitwirkung der ganzen Dorfgemeinschaft gelang es, eine freigewordene Wohnung im ehemaligen Gutshaus zum Kulturraum herzurichten. Am 20. Oktober 1951 fand unter Beteiligung von Jung und Alt eine gelungene Einweihungsfeier statt.
Die Zahl der Kinder nimmt jetzt jährlich ab und erreicht im Jahr 1959 die Zahl 12. Damit und mit der Aussicht auf noch weniger Nachwuchs wurde die Schule für immer geschlossen. Die Kinder gehen von nun zum Unterricht nach Doberan an die Goetheschule. Ihr Lehrer Erich Schönfeld unterrichtet sein letztes Arbeitsjahr bis zur Pensionierung an der Lessingschule.
Die faktischen Angaben stammen aus Aufzeichnungen des Lehrers Erich Schönfeld, rückblickende Interpretationen stammen vom Verfasser.