Die Molkerei Reddelich

Die allgemeine Entwicklung der Molkereien

In den 1870er Jahren wurde es in Mecklenburg üblich die Produktivität und Effektivität der landwirtschaftlichen Produktion durch alle möglichen Vereinsgründungen und den damit verbundenen Erfahrungsaustauschen zu nutzen. Die meist lokalen Vereine beförderten zunächst den Gedanken des genossenschaftlichen Zusammenwirkens. Beispielsweise wurden in der Pferde- und der hier zu nennenden Rinderzucht erfreuliche Fortschritte gemacht. Im Dorf Glashagen war die Rinderhaltung gut entwickelt. Auf den drei Bauernhöfen gab etwa 12 Kühe pro Hof und die Büdner hielten zwischen 6 und 2 Kühe pro Wirtschaft, ja sogar in den Häuslereien wurde mindestens eine Kuh gehalten. Naheliegend war, daß die tägliche Aufbereitung der Milch zu Käse, Quark und Butter einen nennenswerten manuellen Arbeitsaufwand darstellte, immer angetrieben durch die schnelle Verderblichkeit der Milch und dadurch aufwendige Hygienemaßnahmen. Das Schleudern der Milch in der Handzentrifuge und das Butterstampfen im Faß waren schweißtreibende und zeitaufwendige Arbeiten und zumeist Sache der Frauen und Mädchen auf den Höfen, Büdnereien und Häuslereien. Auch in der Schule und auf dem Forsthof hielt man Kühe, mit der Milch wurde genauso verfahren, wie auf den übrigen Höfen. Die Gerätschaften und die Fertigkeiten die man zur eigenen häuslichen Quark-und Buttererzeugung hielt, blieben gleichzeitig erhalten. Die Herstellung des familieren Bedarfs war eigentlich nie unterbrochen und blühte natürlich im Krieg und danach neu auf.

Auf dem Hof Glashagen waren schon wegen des weitaus größeren Milchanfalles männliche Arbeitskräfte, sog. Holländer und Schweizer eingestellt. Spezialisten, die anfangs vielfach aus den beiden namensgebenden Ländern kamen und sowohl fürs Füttern und Melken der Kühe und natürlich die Weiterverarbeitung der Milch zuständig waren. So waren es die Kleinerzeuger und vor allem aber die Gutsbesitzer, die in einer gemeinschaftlichen Milchverarbeitung und dem Fortfall der Vermarktung in einer Genossenschaft die Zukunft sahen. Die Milchverwertung in größeren Stil war nur mit Hilfe der neu zu bauenden Molkereien zu erreichen, ausgerüstet mit sehr speziellen modernsten Maschinen und Kühleirichtungen. Die Bildung einer Genossenschaft in der man Aufwendungen und Gewinn bündeln konnte war hier das geeignete Instrument. Überliefert ist, daß in Rostock 1878 und Schwerin 1881 die ersten Molkereigenossenschaften in Mecklenburg begründet wurden, denen 1883 eine weitere in Stavenhagen folgte. Erstaunlich schnell folgten 1886 in Mistorf bei Schwaan und in unserem hier bei Kröpelin liegenden Diedrichshagen weitere Errichtungen von Molkereien. Der Staatskalender berichtete jährlich unter anderem auch über die Entwicklung des Molkereiwesens und nennt für das Land Mecklenburg 1887 noch 67 Genossenschaften und 1891 bereits 128 .

Gründung und Betrieb der Reddelicher Molkerei

Am 10. Oktober 1887 kam es zur Gründung der Molkerei=Genossenschaft Reddelich eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung zu Reddelich. Natürlich erhielt diese ein Statut, das nach den Regeln des jeweils gültigen Genossenschaftsgesetzes verfasst war und alle Angaben wie : – Gegenstand der Tätigkeit, – Bedingungen zum Erwerb der Mitgliedschaft und dem Ausscheiden, – Vertretung und Geschäftsführung, – Generalversammlung einschließlich Beschlüsse, – Geschäftsbetrieb und Rechnungswesen und schließlich Liquidation oder Auflösung enthielt.

Mitglieder durften in einer Entfernung von ursprünglich max. 20 Kilometer und ab 1889 in 6 Kilometer Entfernung ihren Wohnsitz haben.

Außer dem Statut gab es die Geschäftsordnung. In ihr waren die tagtäglichen Dinge der Genossenschaft geregelt. Sie enthielt durchaus strikte, dem Medium Milch angepasste praktische Regeln zu den Rechten und Pflichten der Genossen und wird deshalb gänzlich hier wiedergegeben:

Die Gründer der Genossenschaft in Reddelich waren Herr Ahrens vom Hof Steffenshagen, Herr Dierks vom Hof Brodhagen und Herr Doktor Wirts vom Hof Brusow. Im Vorstand die Herren A. Ehlers, Carl Grebbin Hof Glashagen und Herr H. Uplegger.

Die Mitgliedschaft in der Molkerei=Genossenschaft war freiwillig. Die Glashäger Genossen sind uns aus einer Liste der Jahresablieferungen für das Jahr 1940/ 1941 bekannt:

LieferantHofRohmilch
in kg
Milchkühe,
Anzahl, ca.
Heinrich GrieseHufe III30.45312
Otto BreideHufe II30.00912
Wilhelm KrohnBüdnerei Nr. 517.3677
Otto NiemannBüdnerei Nr. 215.4076
Albert StrübingBüdnerei Nr. 1315.4036
Wilhelm NiemannBüdnerei Nr. 4a138095
Heinrich HenningsBüdnerei Nr. 1211.8465
Willi BartelsBüdnerei Nr. 4b10.8064
Paul BartelsBüdnerei Nr. 1410.1454
Hans UpleggerBüdnerei Nr. 19.5634
Erwin VölckerBüdnerei Nr. 167.5523
Willi Heiden7.0473
Heinrich UpleggerBüdnerei Nr. 116.6763
Ludwig OtteHäuslerei 13.6062
Heinrich BussSchule3.3632
Adolf Heiden3.2822
Albert NiemannBüdnerei Nr. 32.9161 bis 2
Hans Westendorf2.6461 bis 2
Willi OldenburgHäuslerei 32.2911 bis 2
Summe204.18768
Milchanlieferung an die Molkerei Reddelich aus Glashagen, Geschäftsjahr 1940/41
Veränderungen nach Kriegsende im Mai 1945

Mit dem Ende des für Deutschland verlorenen II. Weltkrieges brach die gesamte Wirtschaft völlig zusammen. Die Siegermacht (bei uns die russische Rote Armee) war dementsprechend für die Lebenssicherung der Bevölkerung und der eigenen zur Besatzungsmacht gehörigen Menschen verantwortlich. In diesem Zusammenhang erfolgte im März 1946 ein sehr wichtiger Befehl zur Sicherung der Versorgung. Der Befehl Nr. 71. Er sah die Verpflichtung der in der Landwirtschaft Tätigen zur Ablieferung aller von ihnen zu erwartenden Erzeugnisse vor. Das betraf quasi alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Die Ablieferung war Pflicht und wurde in Abstufungen vorgenommen, die an die Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen gekoppelt waren. Man sprach vom Ablieferungssoll, das von Anfang an die größeren Bauern benachteiligte indem bei ihnen alle Leistungen pro Hektar erheblich größer waren als bei den Bauer bis 10 Hektar Anbaufläche. Die Produkte, ihre geforderte Qualität, der Ablieferungszeitraum und schließlich die Androhung gerichtlicher Verfolgung bei Übertretungen, waren weiterhin Gegenstand des Befehls.

Für die Milcherzeugung war die Lieferung von ca 1000 kg pro Jahr und Kuh im geringsten Fall bei Betrieben von bis zu 5 ha vorgeschrieben. Die Leistung wurde gestaffelt gefordert bei größeren Flächen wurde mehr Milch pro Hektar verlangt, bei 40 ha beispielsweise 1400 kg pro Kuh und Jahr. [44]

Im Juli 1947 wurden auf Grund der Feuerungsknappheit alle Gemeinderäte von der Molkerei aufgefordert, für den Betrieb der Molkerei Holz zu machen. Für Glashagen wurde beschlossen, daß die Kuhhalter diese Arbeit übernehmen und entsprechend der Anzahl ihrer Kühe ihren Beitrag zu leisten hatten. Im übrigen gab es eine „Kommission zu Milchablieferung„, in der die Glashäger Bauern Krohn und Chlupka diesbezüglich auf alle Ablieferer einwirkten.

Die wichtige tägliche Belieferung der Umsiedlerkinder Glashagens mit Milch konnte 1946 dadurch erreicht werden, daß die Molkerei in Reddelich ein Quantum extra zu diesem Zweck zur Verfügung stellte. Über einen eigends dafür eingerichteten kleinen Verkaufraum im Dorf wurde diese Milch dann täglich verkauft. Den normalen üblichen kleinen Milchanspruch gab es ansonsten nur auf Lebensmittelkarte. Das Vertragsverhältnis mit der Reddelicher Molkerei muß noch vor 1956 beendet gewesen sein, weil aus einer amtlichen Unterlage zu ersehen ist daß die Milch etwa ab dieser Zeit nach Doberan geliefert wurde. [45]

Die dankenswerte Verwahrung einer umfänglichen materialgestützten Sammlung zur Molkerei stammt von dem Reddelicher Sven Morwinsky. Ulf Lübs hat dieses Material in der Ortschronik von Reddelich bearbeitet und beschreibt das Thema Molkerei dort umfassend.

Artikel aktualisiert am 20.07.2023